Wo die Wiege des Seeräubers gestanden haben soll
Ein Gastbeitrag vonTorsten Seegert
Auf dem Wege nach Ruschvitz: Wo Störtebekers Wiege gestanden haben soll...
Heute führten uns unsere Streifzüge vom Haus Colmsee aus über die Insel nach Ruschvitz. Der ehemalige Gutshof liegt nördlich des Spyckerschen Sees und das Gelände fällt zu diesem ab. Und in der Tat: Heute könnte man die alte Zuwegung, die mit Kopfsteinen gepflasterte wurde, schnell übersehen, wenn man auf dem Weg an die Schaabe ist.
Der Ort selbst besteht nur noch aus wenigen baulichen Anlagen. Dazu zählt in jedem Falle das alte Gutshaus, welches vor gut 200 Jahren errichtet worden sein soll, also in etwa zu jener Zeit, als der pommersche Maler Caspar David Friedrich nur unweit davon - bei "Svantekah ´s Bad" den nördlichen Steinstrand Jasmunds besuchte. Alte Quellen beschreiben es bereits als geräumiges Fachwerktraufenhaus mit Backsteinfüllungen, dessen Fensterfaschen verputzt waren und deren Gebäudekanten eine vorgeblendete Putzquaderung besaß. Direkt vom Ausgang des Gutshauses fiel der Blick dabei einst auf den Gutshof, welcher zur linken Hand von drei Wirtschaftsgebäuden und zur rechten Hand von zwei Wirtschaftsgebäuden begrenzt wurde. Darunter befanden sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vier Kübbungsdielenscheunen, wobei sich jeweils zwei gestaffelt aneinander gebaut - wie bereits angedeutet - gegenüber lagen. Auch hier handelte es sich um Fachwerkbauten mit Backsteinfüllung und einem rohrgedeckten Krüppelwalmdach. Nach dem letzten Weltkrieg kamen auch hierher einige Flüchtlingsfamilien und 1959 wurde zudem eine LPG gegründet. - Aber sonst? Vielleicht wäre dieser kleine Flecken kaum eine Erwähnung wert, wenn nicht die Rügensche Sagenwelt hier die Herkunft Klaus Störtebekers verortet hätte.
Überreste der alten Wirtschaftsgebäude des Gutshofes Ruschvitz
Schon der Rügensche Heimatforscher, Sagensammler und Chronist Prof. Dr. Alfred Haas machte eben aus jenem Grund einen Abstecher nach Ruschvitz. Er widmete dem Ort dabei sogar besondere Aufmerksamkeit und beschrieb dessen Entwicklung in seiner Abhandlung "Die Geschichte des Rittergutes Ruschvitz". - Und diese blickt weit zurück:
1318 findet der Flecken als "Ruskevitze" erstmals Erwähnung. Damals übrigens mit dem Bezug auf eine Familie von der Bughe. Ihr folgte ein gewisser Tönnies von Krassow, der diesen Flecken dann 1517 an Balthasar von Jasmund veräußerte. Doch von Interesse war wohl auch für Prof. Dr. Alfred Haas vor allem Klaus Störtebeker. So hielt er fest, dass im Jahre 1840 Arbeiter von Ruschvitz beim Umackern einer wüsten Stelle den Grundbau eines Hauses fanden. Sie sollen berichtet haben, dass ihnen schon damals die Überlieferung vorangegangener Generationen bekannt war, wonach hier die Eltern Klaus Störtebekers gewohnt haben sollen. So kann man es auch noch von alten Rüganern erfahren, die diese Heimstatt etwa 200 Meter westlich vom heutigen Ruschvitz verorten. Angeblich soll Klaus Störtebeker dort zwischen 1360 und 1380 geboren worden sein...
Diese Aussagen zu Störtebekers Herkunft fanden später auch bei den Rügen-Festspielen (seit 1959) ihren inhaltlichen Niederschlag. Kurt Barthel (KuBa), Autor der damals aufgeführten Ballade um den Seeräuber, lässt dabei seinen Störtebeker, der bereits zu diesem Zeitpunkt eine erste Wandlung zum Volkshelden hinter sich hatte, im Jahre 1391 in den Mythos um sein Leben eintreten:
In der Nähe des Gutes Ruschvitz ist der Jungknecht Klaus Störtebeker in ein Zwingbrett gespannt, weil er es gewagt hatte, eine Kanne Starkbier zu trinken - das Getränk, welches für den "Herren" bestimmt war. KuBa lässt daraus schon zum Einstieg die Legende um seinen Namen erwachsen. Nach Bontes Willen, dem Herrn zu Ruschvitz, soll er seine Freiheit erhalten, wenn er es vermag, noch eine Kanne auszutrinken. Doch da dieser sich dann nicht an sein Wort hält, wird er von Klaus Störtebeker nierdergeschlagen. Gemeinsam entflieht der zukünftige Seeräuber mit der Magd Trebele, die ihm zu dem Trunk verholfen hatte.
Lothar Krompholz (links) als Störtebeker (Foto aus dem Nachlass von KuBa / Archiv: J. Barthel)
Heute gibt es immer wieder Aussagen wonach Störtebecker aus Mecklenburg gekommen sei. Dagegen spricht allerdings schon die alte Weisheit: "Je fester die Faust, je näher an Pommern." Und: Für echte Rüganer ist die Herkunft Störtebekers unumstritten. Er ist Rüganer, was denn sonst?