Ein Besuch von Forsthaus und Baumwipfelpfad

Ein Beitrag von Torsten Seegert

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Nach vielen Streifzügen über die Insel kehren wir heute noch einmal an die Schmale Heide zurück. Hier befand sich einst das 1.000 Morgen große Forst-Revier Prora, das sich als Heide unmittelbar am flachen Strand entlang zog - charakteristisch geprägt von seinen im Wind zerzausten und im Laufe der Zeit bizarr verbogenen Kiefern. Eingebettet in diese einst fürstlichen Jagdgründe an der Prorer Wiek: Das Forsthaus Prora.  

 

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Lange Zeit war es zum „Nebenort“ geworden. Zugewachsen und verwahrlost fristete das Forsthaus Prora bis vor etwa 10 Jahren sein Dasein - versteckt in einer Randlage. Verhallt war damals auch schon längst der einst berüchtigte Fuhrmannsruf: 

"Hollt vör de Prora!“ 

Wo einst ein sehr anmutiger Fahrweg eines Warnrufes bedurfte und die Heide erstmals erschloss, wälzt sich heute tagtäglich der Einheimische und der Besucher im allgemeinen Verkehrsstrom der Blechlawinen über die Insel. Nach dem Traum vom Seebad für 20.000 Menschen und der erfolgten Nachnutzung hat sich die Prora gewaltig verändert. Eine zerschnittene Landschaft, aus der das dann wieder vor etwa einem Jahrzehnt „freigesägte“ Forsthaus, wie ein gestrandetes UFO aus längst vergessenen Zeiten wirkte.

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„Gelandet“ war es bereits um das Jahr 1857. Erbaut im Auftrag des Fürsten zu Putbus und - so man den Überlieferungen glauben kann - entworfen durch Theodor Bamberg, sollte es Heimstatt für den Förster und Verwalter der Jagdgründe bieten. Damit war das Forstrevier eines von 10 Revieren der fürstlichen Verwaltung. Architektonisch lässt sich die Nähe des Proraer Bauwerks zum Entwurfs des Jagdschlosses in der Granitz nicht leugnen. Nach dem zweiten Weltkrieg und der  Enteignung des Besitzes der Familie zu Putbus wurde das Waldgebiet der NVA-Forstverwaltung (Anm.: NVA = Nationale Volksarmee) zugeordnet. Dann - nach dem politischen Umbruch vor etwa 30 Jahren - folgte eine Phase der Perspektivlosigkeit des historischen Bauwerks. Doch selbst im Zerfall begriffen, strahlte dieser zweigeschossige Bau mit seinem durch Zinnen  bekrönten Turm - der zur Erschließung der Seitenflügel genutzt wurde - noch Anmut und Wehrhaftigkeit aus. Widerstanden hatte er der Zeit. Das Forsthaus hatte ausgehalten,  bis es schließlich saniert und als „kleinerer“ Nachbar eines 900 qm großen Umweltinformationszentrum mit Erlebnisausstellung und Baumkronenpfad dienen konnte.

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Heute strahlt das Forsthaus wieder im einstigen Glanz und ist erster Anlaufpunkt vieler Gäste - obgleich er eher wie eine Willkommens-Kulisse wirkt. Aber: Er ist wieder beliebter Ausflugsort – wie vor etwa hundert Jahren! 

Und: Wären Zeitreisen schon erfunden worden, man würde sich gerne noch einmal zurück versetzen lassen in das "Damals", als der Förster Constantin Hahnel die Erlaubnis zum Ausschank von Milch, Kaffee sowie alkoholfreien Getränken erhalten und so Bootsreisenden, die von der Lietzower Fähre kamen, eine angenehme Rast bieten konnte. Seine letzte Ruhe fand er übrigens auf der Halbinsel Thiessow. Der Förster, der über 30 Jahre seinen Dienst im Forsthaus tat, hatte sie sorgsam gewählt. Von hier bot sich einst ein schöner Blick auf das Forsthaus...

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Zur neuen Perspektive, die dem Forsthaus seine Sanierung ermöglichte, gehört nun ein Baumwipfelpfad, der den Höhenzug des Schanzenberges (Anm.: Die südlich der Prora gelegene Erdschanze gab dem Berg wohl seinen Namen, ob es sich dabei um eine Schanze aus dem Dreißigjährigen Krieg handelt, ist umstritten) nutzt.  Er  ermöglicht es Besuchern in luftiger Höhe auf "Tuchfühlung" mit dem einst von Hahnel betreuten Forst zu gehen -  selbst mit Rollstuhl!

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Möglich macht dies eine aus Stahl und Holz gebaute Konstruktion, die ihren Höhepunkt mit einem 40 Meter hohen Aussichtsturm erreicht. Von hier kann man seinen Blick nicht nur über den Kleinen Jasmunder Bodden, die Halbinsel Thiessow und das Forsthaus mit Nebengebäude schweifen lassen...

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...sondern auch über die Prora. Hier und dort leuchten die hellen Fassaden des nie fertiggestellten KdF-Seebades aus der Schmalen Heide hervor - der Denkmalstatus der Anlage erleichterte einigen ihre Flucht ins "Betongold". Der schönste Blick ist jedoch der über die Wiek nach Sassnitz. 

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Den Weg, den man hier durch den Forst nimmt ist keineswegs gewöhnlich: Wann wandelt man schon in diesen Höhen zwischen den Bäumen? Um auch auf diesem Pfad keine Gewohnheit aufkommen zu lassen, kann der Gast den Rückweg sogar über eine Rutsche abkürzen...

Was wohl Förster Hähnel dazu sagen würde? - Vielleicht ein: "So ändern sich die Zeiten..."