Ein Ausflug in das Umland von Binz

Ein Beitrag von Torsten Seegert

 
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Unser heutiger Streifzug führt uns an und um den Schmachter See. Allerdings beginnt unsere Umrundung dieses Mal am Kleinbahnhof Binz. Wir warten auf den ersten Zug in Richtung Putbus. Er fährt im Winterfahrplan um 10.40 Uhr und wird uns die ersten etwa 3,5 Kilometer eines Wanderweges und damit etwa eine 3/4 Stunde sparen.

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Mit der schnaufenden Dampflok geht es so nun also zunächst mit der Schmalspurbahn vorbei an den Ausläufern der Granitz. Kurz vor Serams, unserem Haltepunkt, kann man rechter Hand schon einen Blick auf die Schmachter Wiesen werfen. Ob sich hier in früherer Zeit mal an ein Wald befand? Jedenfalls hat sich im Süden des Schmachter Sees einen Wiesenmoor gebildet gehabt, welches sich später zum Torfabbau anbieten sollte. Im 19. Jahrhundert wurden für eine Kultivierung der Fläche Entwässerungsgräben angelegt. Sie zeichnen sich zum Teil bis heute deutlich durch den Baum- und Strauchbewuchs in der Landschaft ab.

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Der Schmachter See, der sich nördlich davon befindet und welchen wir im Anschluss umrunden wollen, ist ein Süßwassersee, welcher schon vor über einhundert Jahren als "recht fischreich" bezeichnet wurde. Allerdings war er ursprünglich als Golzen, Cholsen, Cholste oder ähnlich bekannt. Die slawische Bezeichnung, die auch immer beschreibend war, bezog sich dabei auf die Heidelandschaft. Die uns heute geläufige Bezeichnung bezieht sich hingegen auf das erste Ziel unserer Wanderung: Schmacht. Die Aalbäk, jener Abfluss des Schmachter Sees zur Prorer Wiek, ist heute kaum noch zu sehen, da sie mittlerweile verrohrt durch Binz verläuft und lediglich noch am Geländer in den Parkanlagen in etwa auszumachen ist. Die Mündung der Aalbäk befindet sich übrigens zwischen dem Haus Stranddistel und dem Haus Colmsee.    

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Wir haben Serams in etwa 6 Minuten Fahrtdauer mit der Schmalspurbahn erreicht und beginnen nun unsere eigentliche Wanderung. Dazu bewegen wir uns zunächst an der Straße entlang, entgegen dem Verkehr. Schon nach kurzer Zeit durchqueren wir so Pantow, welches am Rand der Niederung zum Schmachter See liegt. Wie Binz war es lange Zeit im Besitz des Hauses Putbus. Allerdings galt es als Nebengut von Zargelitz. Als Afterlehen fand es u. a. Erwähnung in Bezug eines v. Normann auf Tribberatz, ein Dorf auf welches wir später noch einmal eingehen werden. Pantow bestand als Kossaten- und Bündnerdorf nur aus wenigen Häusern. Durch die Bebauung und die Umbauten von Häusern in den letzten Jahrzehnten hat es zudem auch einen Stück weit seinen ursprünglichen Charakter, der durch rohrgedeckte Fachwerkhäuser geprägt war, verloren. 

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Weiter geht es in Richtung Zirkow. Wir nutzen einen schmalen Asphaltstreifen neben dem linken Fahrbahnrand und erreichen nach etwa 600 Metern (Anm.: vom Ortskern Pantow aus) einen alte Weggabelung. Linker Hand geht es in Richtung des Forsthauses Zargelitz und der Kleinbahnstation von Seelvitz und Nistelitz, wir halten uns allerdings rechter Hand - und machen uns auf den Weg nach Schmacht. Schon 2017 hatte der Rügener Fotograf Klaus Ender auf seiner Seite "Sorgenkind Rügen", einem kritischen Forum, die Fällungen der dort stehenden Buchen ausführlich dokumentiert. 

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Heute, ein paar Jahre später, kann man gepflanzte Tannensetzlinge an den Hügelausläufern der Langen Berge aufwachsen sehen. Sie werden, wenn sie noch größer geworden sind, die Landschaft und die Art wie wir unsere Insel dann sehen, dauerhaft in den nächsten Jahrzehnten verändern. Einige Blicke dürften dann für immer Geschichte sein.

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Auch Schmacht, welches sich nur etwa 1.000 Meter von der Bundestraße 196 entfernt befindet, hat sich stark gewandelt. Bei diesem Flecken handelte es sich seit langem um einen kleiner Hof, der durch die Familie zu Putbus verpachtet wurde (Anm.: an sogenannte "Pachtbauern", um 1800 war dies beispielsweise Carl Philipp Fock, der ursprünglich aus Kransevitz stammte) und im 19. Jahrhundert gleich mehrfach angezeigt wurde. 

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Dessen Bewirtschaftung bezog sich nicht nur auf ein kleines Ackerwerk mit einer schwarzbunte Bullenzucht sondern auch auf die Rohrernte des nahen Sees, dass dann zum Verkauf zur Dachdeckung angeboten wurde. Angezeigt wurde dies u. a. durch Möller, der 1858 ein entsprechendes Inserat in der "Stralsundischen Zeitung" aufgab. Auch traf man sich hier zum Jahreswechsel wegen der Holzversteigerung der "Fürstlich Putbusser Forsten", wo es u.a. um Holz und Strauchholz aus dem Zargelitzer Revier, genauer den Hagener Bergen, ging.

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Einiges ist uns noch aus der Vergangenheit bekannt: 1903 war an die Stelle des Gutspächters Luhde, der nach Bergen verzog, der Gutspächter Kuno Lassen getreten. 1906, nur etwa drei Jahre später zog Lassen, nach der Abstandszahlung von 14.000 Mark durch den Bergener Landwirt Rothbarth, jedoch nach Sellin, um sich dort eine Villa zu errichten. Der neue Pächter Rothbarth hingegen wurde gleichzeitig auch stellvertretender Gutsvorsteher. Äußerlich hat das Gut Schmacht eine ziemliche Wandlung erfahren: Gutshaus und Wirtschaftsgebäude hatten einst rohrgedeckte Krüppelalmdächer. 

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Sie wurden getragen von einem Fachwerk, dessen Fachungen weiß gekalkt waren. Das Gutshaus selbst war, wie so oft, vor etwas über 200 Jahren auf einem hoch gelegenen Feldsteinsockel gegründet worden. Insofern ist die sechsstufige Freitreppe schon recht ungewöhnlich und fällt auf der Rückseite des Gutshauses sofort in den Blick. Allerdings wirkt das Gutshaus heute mit seinen Backsteinausfachungen eher schlicht, weshalb wohl an die Tür auch mit Kreide schlicht "GUTS HAUS" geschrieben wurde.

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Der Wanderweg, der direkt durch Schmacht führt, verliert sich im Anschluss über eine riesige freie Fläche, auf der wieder Bäume weichen mussten. Da man sich ohnehin linker Hand halten muss, empfiehlt es sich, einen Ausläufer der Hagener Berge (Anm.: ...oder "Häger Berge", wie Johann Jakob Grümbke sie nannte) zu besteigen. Wenn die Bäume auf diesem Höhenzug nicht auch noch in nächster Zeit fallen, um sie mit Tannen zu besetzen, so kann man vielleicht noch einige Zeit einen wunderschönen Blick über den Schmachter See und die Schmachter Wiesen werfen. 

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Der Wanderweg selbst, gabelt sich schon bald. Nun muss man sich entscheiden: Will man nur einfach weiter in Richtung des Fangerin oder ist man bereit für einen Abstecher in die Vergangenheit? Wer wissen will, was sich in Richtung Zirkow verbirgt, kann an dieser Stelle einfach weiter lesen. Andernfalls sollte man den deutlich markierten Abschnitt einfach überspringen.

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Wer in Richtung Zirkow aufbricht, muss sich mit der jüngeren deutschen Geschichte auseinandersetzen, denn nun kommt man an den Wüstungen der Dörfer Hagen und Tribberatz vorbei. Hagen, nachdem die Hagener Berge benannt sind, war eines von mehreren Hagendörfern, die es damals gab. Wie der Name schon verrät, handelte es sich dabei um eine deutsche Siedlung. Angeblich, so jedenfalls die Überlieferungen, soll der "Nachtjäger" Hans Häger diesen Ort gegründet und angelegt haben. Deutsche Siedlungen wurden oft nach ihren Gründern benannt, hier ist dies aber nicht erwiesen. Und auch die Urkunden sprechen dagegen, da im Jahre 1318 noch von "Nyghenhagen" die Rede war und der Ort zwischenzeitlich im 17. Jahrhundert sogar "Thom Hagen" genannt wurde. 1577 waren 2 Höfe mit 3 Katen vermerkt gewesen und der bereits ursprünglich im Besitz des Hauses Putbus befindliche Ort soll dann auch wieder 1780 (Anm.: durch den Kauf der Grafschaft Streu, zu der Hagen gehörte) an die Familie Putbus gegangen sein. 

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Das verbindet Hagen auch mit dem einst benachbarten Tribberatz. im Gegensatz zu dem Hagendorf war Tribberatz jedoch als Einzelhof angelegt worden und als Afterlehen u. a. durch die Familie von Bonow und von Normann genutzt worden. Die Linie Tribberatz der Familie von Normann wurde dabei durch Heinrich von Normann begründet und brachte u. a. auch den "langen Normann" oder den sogenannten "Riesen von Tribberatz" hervor, mit dessen Kopf man, zu Napoleons Zeiten "wenigstens alle rügenschen Lehmwände einrennen" konnte, wie der Garzer Heimatforscher Ernst Wiedemann festhielt.  Sie endete allerdings mit Moritz von Normann, der als Offizier sowohl in schwedischen als auch preußischen Diensten gestanden haben soll. Er reichte 1844 als Major den Abschied ein und verstarb 1868 auf der Insel Rügen, wo mit ihm auch die Linie Tribberatz der Familie von Normann ausstarb. Im Anschluss geht Tribberatz wieder vollständig an die Familie Putbus und wird als Gut verpachtet. Zu jener Zeit bestand Tribberatz lediglich aus dem verpachteten Gutshof, wo u. a. Lämmer und Schweine gehalten wurden, und drei Häuslerstellen. So ist in den 1870er Jahren der Gutspächter Th. Hecht für Tribberatz verzeichnet, er war bereits in den 1850er Jahren dort ansässig. Auf dem Rittergut selbst wurde zu jener Zeit vor allem Schafzucht betrieben.

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Nach dem Gutspächter Wohlert, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Rittergut Tribberatz von Erich Braun, später von Carl Braun (1869-1940), bewirtschaftet worden. Die Grabstelle des letzten Gutspächters und seiner Frau Marie (1878-1944) befindet sich noch heute auf dem Friedhof von Zirkow. In dieser Zeit ist Tribberatz gleich mehrfach in den Schlagzeilen des "Stralsunder Tageblatts". Mal geht es um eine Versuchte Tötung, Unfälle mit Beinbruch oder oftmals um Diebstahl. 

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde auch das Gut Tribberatz aufgesiedelt. Zu den Neusiedlern zählen neben den ehemaligen Gutsarbeitern auch Flüchtlinge aus Ostpreußen. Eher unbekannt ist, dass im April 1953 - also kurz nach der "Aktion Rose" - in einer Nacht- und Nebelaktion auch die Neusiedler von Tribberatz durch die Polizei auf ehemalige Wehrmachtsfahrzeuge geladen und auf der ganzen Insel verstreut werden. Die Unterlagen zu ihrem Besitz mussten sie übrigens abgeben. Kurze Zeit später traf die Bewohner von Hagen das gleiche Schicksal. Beide Dörfer wurden geräumt, weil man das hügelige Umfeld als ideal zur Anlegung eines Truppenübungsplatzes ansah. In dem späteren Sperrgebiet wurden beide Dörfer zu Wüstungen. Bis heute ist dieses Unrecht übrigens kaum bekannt, Ansprüche der Betroffenen sollen nach dem politischen Umbruch 1989 abgelehnt worden sein. 

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Interessant ist dabei auch, dass im 1963 über die Kunstdenkmale der Insel Rügen erschienen Buch von Walter Ohle und Gerd Baier über den Gutshof Tribberatz mit seinem Wohnhaus, der Scheune und dem Stall nur knapp vermerkt wird:

"Der Hof z.Z. unbewohnt und in schlechtem Erhaltungszustand."

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Wer den Weg weiter in Richtung Zirkow nimmt, kommt schließlich nach Darz, einen ehemaligen Einzel- bzw. Gutshof, der sich ursprünglich nördlich von Zirkow befand. Heute ist durch die Parzellierung und Bebauung am Darzer Weg der ehemalige Hof in Zirkow aufgegangen. Er war ebenfalls im Besitz des Hauses Putbus und wurde zwischenzeitlich als Afterlehen an die Familie Wusseken und später an die Familie von Barnekow gegeben. Nur etwa 500 Meter entfernt führt die ehemalige Allee, heute als Mustitzer Allee bezeichnet, in Richtung Prora. Sie gilt als eine der ältesten Alleen der Insel und führte, wie der Name schon sagt, zum einstigen Vorwerk Mustitz. Angelegt und mit Buchen bepflanzt, wurde sie vor etwa 200 Jahren im Auftrag Wilhelm Maltes zu Putbus.

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Wer sich nicht für einen Abstecher in Richtung Zirkow entscheidet und stattdessen sich rechter Hand hält gelangt im Nordwesten des Schmachter Sees zum Fangerin. Der Fangerin war ein Forstteil des Reviers Prora. Über die Bedeutung des Namens "Fangerin" gibt es verschiedene Ansichten. 

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Eine davon ist, dass sich der dem slawischen entlehnte Begriff sich vielleicht auf das Wort "agri" für Aal beziehen könnte. Auch wurde ein Bezug auf das Wort "Vagrin" hergestellt und das Wort so - u.a. durch Beyersdorf - in seiner Bedeutung mit "ungrische Koppel" angenommen. Leider wurde der Fangerin sowohl bei der Unterschutzstellung am 7. Dezember 1994 als auch bei den Publikationen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) entgegen den historischen Überlieferungen falsch geschrieben. 

(Der Deckstein zur Erinnerung an das Regierungsjubiläum des Kaisers und Königs Wilhelm II. soll übrigens auch aus dem Fangerin stammen. Das, was davon heute noch übrig ist, befindet sich dort, wo im Seebad Binz die Putbuser Straße, die ehemalige Strand-Allee, auf die Strandpromenade trifft.)

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Wer vom Fangerin aus in Richtung des Schmachter Sees schaut, kann gerade in dieser Jahreszeit einen Blick auf Binz werfen. Wie traumhaft könnten hier ein paar Sichtachsen in Richtung Binzer Kirche sein? Doch daran ist wohl gegenwärtig eher nicht zu denken. So müssen wir noch gut 2.000 Meter warten, bis sich wieder ein Blick auf den Schmachter See eröffnet. 

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Naja, ganz ungefährlich soll der Blick auf den See ja ohnehin nicht gewesen sein. Schon der Pantower Gastwirt Tiedemann warnte zu seiner Zeit, dass man, wenn die Rohrdommel und die Unken rufen, nicht zu nah an das Ufer gehen soll, um nicht vom Wasser angezogen zu werden und zu ertrinken. 

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Diese Warnung wurde auch durch Sagenwelt der Insel gestützt: Vor hundert Jahren jedenfalls erzählte man sich noch, dass Seejungfern am Ufer oder auf den feuchten Wiesen in lauen Sommernächten ihren Reigen tanzten und so manchen so anzogen, so dass er sich verlor...

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